Samstag, 3. Juni 2017

Schwanger in den USA


Wie, es gibt eigentlich nur einen großen Ultraschall in der 20. Schwangerschaftswoche? Du hast weder einen Mutterpass noch eine Hebamme? Es wird kein CTG während der Schwangerschaft gemacht? Meine damaligen Berichte über die Schwangerschaftsvorsorge in den USA sorgten in Deutschland für ungläubiges Staunen, viele Rückfragen und teils für Kopfschütteln. Für mich persönlich war das vermeintlich lückenhafte System aber alles andere als bedauernswert: Ich habe mich von meiner Ärztin und dem gesamten Praxis- und Krankenhausteam bestens betreut gefühlt und vor zwei Jahren nach einer sehr entspannten Schwangerschaft und komplikationslosen Geburt ein putzmunteres Kind zur Welt gebracht.
Zum Ultraschall kommt es in den USA viel seltener, im Grunde nur am Anfang zur Feststellung der Schwangerschaft, dann zum großen Organcheck nach der ersten Hälfte und gegebenenfalls am Ende der Schwangerschaft, falls sich die Position des Babys im Bauch nicht zweifelsfrei ertasten lässt. Sicherlich spielt dabei eine große Rolle, dass es im amerikanischen Gesundheitssystem so viele Selbst- bzw. Teilzahler unter den Schwangeren gibt und man die Kosten entsprechend drosseln möchte. Ich habe aber auch das Gefühl, dass es sich bei der niedrigen Ultraschall-Frequenz um eine Einstellungssache handelt: Ein Ultraschall ist kein "Fotoapparat", sondern eine medizinische Notwendigkeit: Verläuft die Schwangerschaft komplikationsfrei, besteht kein Grund, ständig in den Bauch zu schauen. Beruhigt hat mich, dass routinemäßig ein besonders gründlicher Ultraschall um die 20. Schwangerschaftswoche herum erfolgt. Der dauert dann auch rund 30 bis 45 Minuten und es wird wirklich alles überprüft und vermessen. Danach gab es in meiner ersten Schwangerschaft keine weitere Beschallung mehr. Der Bauch und damit das Baby wuchsen, das war auch ohne Technik offensichtlich. Ansonsten bestehen die Vorsorgeuntersuchungen, die anfangs alle vier Wochen, dann im 14-Tage-Rhythmus und ab der 35. Woche alle sieben Tage erfolgen, jeweils aus Blutdruckmessen, Urinprobe, Wiegen und zahlreichen Fragen nach dem Wohlbefinden (z.B. Übelkeit? Kopfschmerzen? Übungswehen?). Den Herzschlag des Kindes prüft die Gynäkologin mittels Doppler, tastet danach den Bauch ab und vermisst ihn.
Besonders toll finde ich, dass die Frauenärzte hier in der Regel gleichzeitig das Fachgebiet Geburtshilfe beherrschen. Sie sind jeweils an ein Krankenhaus angebunden und leiten später auch die Geburt, können sogar einen Kaiserschnitt vornehmen. Man muss allerdings Glück haben, dass die eigene Ärztin Bereitschaft hat, sobald die Wehen einsetzen. Bei Benjamins Geburt hat es damals geklappt: Das vertraute Gesicht meiner Gynäkologin war umso besser, weil Hebammen zumindest hier im Süden der USA wenig verbreitet sind. Es gibt zwar Geburtshäuser, die von Hebammen geleitet werden, und sie bieten auch Hausgeburten an. Bei der Schwangerschaftsvorsorge und bei Krankenhausgeburten werden sie aber nicht automatisch hinzugezogen. Ich hatte jedenfalls keine, was mir vor und während der Geburt auch nicht gefehlt hat. Allerdings umso mehr in den ersten Wochen mit Baby allein zu Hause: So viel Fragen, so wenig Ahnung!
Insgesamt habe ich es sehr genossen, dass in den USA viel natürlicher mit der Tatsache Schwangerschaft umgegangen wird. Kein großer Hype, kein Babygrößen und -gewichtsvergleich unter werdenden Müttern und vor allem kein Grund, in Kontrollwahn zu verfallen. Zumindest nicht, solange sich die Schwangerschaft völlig normal entwickelt und es keine Anzeichen für Komplikationen gibt. Dass diese "Nüchternheit" sofort unterbrochen wird, sobald sich Abweichungen ergeben, zeigt aktuell meine zweite Schwangerschaft. Nach dem anfangs explosionsartigen Wachstum meines Bauches tut sich im letzten Trimester auffallend wenig, vor allem im Vergleich zu meiner ersten Schwangerschaft mit Ben (Stichwort Walross). Aus diesem Grund wurde letzte Woche ein zusätzlicher Ultraschall durchgeführt und siehe da: Alles in Ordnung, dem Zwerg geht es prima, er ist so groß wie er sein soll, scheint sich halt nur gut zu verstecken. Will sagen: Wenn es medizinisch notwendig erscheint, kommt die Technik natürlich zum Einsatz. Und das ist auch gut so.

Wer übrigens mit Blick auf Schwangerschaft und Geburt noch mehr zu den Unterschieden in Deutschland und den USA erfahren möchte, den interessiert vielleicht das kürzlich von den Autoren der Platform "CityKinder" veröffentlichte E-Book "Schwanger in Amerika" (hier der Link).  CityKinder ist ein Forum für deutschsprachige Familien rund um New York und hat zur Blogparade "Schwanger im Ausland" aufgerufen, an der ich mit diesem Beitrag gerne teilnehme. 

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